Heute vor 128 Jahren, am 12. Juni 1893, starb – völlig überraschend – Herzog Max Emanuel in Bayern im Alter von nur 43 Jahren. Der jüngste Bruder von Kaiserin Elisabeth („Sisi“) von Österreich ist bis heute der wohl unbekannteste der berühmten herzoglichen Kinderschar.
Herzog Maximilian Emanuel in Bayern kommt am 7. Dezember 1849 im Herzog-Max-Palais in München zur Welt. Seine Eltern sind Herzogin Ludovika und Herzog Max in Bayern, Mitglieder der in Bayern regierenden Familie Wittelsbach. Als die Zeugen, die jede Geburt im Herrscherhaus dokumentieren, im Palais auftauchen ist noch nicht einmal die Nabelschnur des Neugeborenen durchtrennt.
Der junge Herzog wächst zusammen mit zwei Brüdern und fünf Schwestern auf. Am nächsten steht ihm die nur zweieinhalb Jahre ältere Sophie Charlotte, beide werden in der Familie zusammen als „die Kleinen“ bezeichnet. Wie fast alle Kinder der Familie erhält auch der Jüngste einen Spitznamen, der ihm sein Leben lang bleiben wird: „Mapperl“ wird der Junge innerhalb der Familie genannt. Mutter Ludovika schreibt den Kosenamen in ihren Briefen übrigens mit nur einem „p“, also „Maperl“. Die Herzogin ist kreativ wenn es um die Spitznamen ihrer Kinder geht, so gibt es darüber hinaus Gackel, Spatz – und eben Sisi.
Als Kaiser Franz Joseph von Österreich 1854 Mapperls ältere Schwester Sisi heiratet, ist der kleine Herzog gerade einmal vier Jahre alt. Auf dem berühmten Gemälde von Joseph Stieler, das König Ludwig I. von Bayern seiner Nicht zur Hochzeit schenkt und das die Geschwister zusammen auf der Terrasse von Schloss Possenhofen zeigt, ist auch Mapperl zu sehen. Stieler hat die Kinder im Vorfeld seiner Arbeit gefragt, wie sie abgebildet werden wollen. Während Marie und Mathilde sich für ihre Lieblingsvögel entscheiden, lassen sich „die Kleinen“ mit ihren Spielsachen malen – Sophie Charlotte mit einer Puppe, Mapperl mit einer Trommel.
Mapperl tritt früh ins Militär ein und muss bereits als 16-jähriger in den Krieg ziehen. Im Deutschen Krieg von 1866 kämpft er in der Schlacht von Kissingen und schwebte dabei – wie seine Mutter Ludovika schreibt – sogar in der „höchsten Lebensgefahr“. Und auch im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 befindet sich der junge Herzog mitten im Kriegsgeschehen. Die Familie macht sich große Sorgen um ihn. So schreibt seine Schwester Marie an Herzogin Ludovika aus Meran am 6. Dezember 1870: „Morgen ist Mapperls Geburtstag; wir werden eine Messe für ihn lesen lassen. Der Krieg scheint sich immer mehr in die Länge zu ziehen. Weiss Gott, wann wir die Buben wieder sehen werden.“ Mapperl wird noch lange von zu Hause weg bleiben, erst im Juli 1871 kehrt er zurück nach München.
Bei der Hochzeit seiner Schwester Sophie Charlotte lernt er eine Cousine des Bräutigams kennen – und verliebt sich. Amalie von Sachsen-Coburg und Gotha ist der Name seiner Angebeteten. Obwohl die Gefühle wechselseitig sind, gibt es ein großes Problem, denn die Prinzessin ist schon anderweitig versprochen. In einer solchen Situation ist es sehr hilfreich, wenn man eine Kaiserin in der Familie hat: Sisi nimmt sich der Sache an und bringt den potentiellen Bewerber anderweitig unter die Haube, indem sie ihre eigene Tochter ins Spiel bringt. Amalie wird so frei für Mapperl und im Sommer 1875 können die beiden schließlich in Wien heiraten.
Eigene Monate nach der Hochzeit erhält das junge Paar einen eigenen Wohnsitz: Herzogin Ludovika in Bayern überschreibt ihrem Jüngsten das idyllische, damals noch außerhalb von München gelegene Schloss Biederstein, das sie von ihrer Mutter geerbt hatt Hier richtet sich die Familie ein, zwei der drei Söhne kommen auf dem Schloss zur Welt. Der Herzog muss wohl eine attraktive Erscheinung gewesen sein, denn eine Hofdame seiner Schwester Sisi bezeichnete ihn in ihrem Tagebuch als „bildschön“, ergänzt hingegen böse: „aber nicht gescheidt“.
Ob Mapperl „gescheidt“ war oder nicht können wir nicht beurteilen. Was wir allerdings wissen ist, dass der Herzog eine kreative Ader hatte: er komponierte. Sein Œuvre umfasst insgesamt acht Werke – zwei kleine Klavierstücke und sechs Lieder für „eine mittlere Stimme mit Pianofortebegleitung“. Für meine historische Sammlung konnte ich letztes Jahr die Partitur eines seiner Werke erwerben, sein „Opus 2“, das drei Lieder umfasst. Was diese Partitur besonders macht ist eine handschriftliche Widmung für seine Schwester Sophie Charlotte. „Für unsere liebe Sophie, Biederstein 27. Mai 1881“ steht dort zu lesen. Diese Widmung wundert nicht, war doch Sophie Charlotte ebenfalls musikalisch veranlagt und verfügte über die passende Stimme, um die Lieder ihres Bruders auch singen zu können.
Im Juni 1893 halten sich Mapperl und seine Frau Amalie im Hotel Strauch (heute Hotel Kaiserin Elisabeth) in Feldafing am Starnberger See auf, als plötzlich bei dem Herzog eine Darmblutung auftritt. Innerhalb von kurzer Zeit verschlechtert sich sein Zustand gravierend, die engste Familie wird alarmiert und nach Feldafing gerufen, wo Herzog Max Emanuel am 12. Juni 1893 in den frühen Morgenstunden verstirbt. Die Sektion ergibt, dass er Herzog an einem Magengeschwür litt, das auf einer Arterie aufsaß – Mapperl ist innerhalb weniger Stunden innerlich verblutet. Der Verlust trifft die gesamte Familie schwer. Mapperls Witwe Amalie ist so erschüttert und angegriffen, dass sie binnen Jahresfrist ihrem Mann in den Tod folgt.