Anlässlich des Ablebens von Königin Elizabeth II. war in den letzten Tagen viel zu lesen über die Liebe der Monarchin zu ihren Hunden. Seit langer Zeit schlug das Herz der Queen vor allem für eine Rasse, die Corgis. Durch ihre Rolle an der Seite der Monarchin wurden die ursprünglich aus Wales stammenden Hunde sehr populär. Ihren ersten Corgi erhielt Elizabeth zu ihrem 18. Geburtstag, eine Hündin namens Susan, die sie später sogar auf ihre Hochzeitsreise begleiten sollte.
Dabei ist die Queen bei weitem nicht die einzige Adelige, die eine liebevolle Bindung zu ihren Hunde pflegte. Auch Elizabeths Vorfahrin Queen Victoria hegte eine große Vorliebe für ihre Vierbeiner, ebenso wie deren Zeitgenossin Herzogin Ludovika in Bayern.
Am bayerischen Königshof wuchs Ludovika Anfang des 19. Jahrhunderts in einer tierlieben Umgebung auf. Davon zeugen nicht nur die Namen vieler Haustiere, die in ihren Kinderbriefen vorkommen, sondern auch zahlreiche Darstellungen, auf denen ihr Herr Papa, der bayerische König Max I. Joseph, in Begleitung seiner Hunde zu sehen ist. Aus der erhaltenen Familienkorrespondenz wissen wir, dass die Kinder des Königspaares sich in Abwesenheit der Eltern auch um die Hunde kümmerten.
Auch als Ludovika ihre eigene Familie gründete, finden wir immer wieder Hunde in ihrer Umgebung. Die Herzogin verbrachte viel Zeit auf dem Land, auf Schloss Possenhofen am Starnberger See, die passende Umgebung für tierische Begleiter. So berichtet eine Hofdame ihrer Tochter Elisabeth, Kaiserin von Österreich, kritisch-herablassend von einem Besuch in Possenhofen, dass die Herzogin nur »ihren Hunden lebt, selbst bei Tisch, und auf den Eßtellern Flöhe knackt! Die Teller werden aber gleich wieder gewechselt.“ Das Tadelnde schwingt in diesen Worten mit – die Mutter der Kaiserin, die bei Tische Hundeflöhe auf den Tellern zerdrückt! Bei Ludovikas trockenem, altbayerischen Humor könnte es durchaus gut möglich sein, dass die Herzogin den Besuch aus Wien gezielt mit diesem Verhalten geschockt hat.
Nicht alle Zeitgenossen waren so spröde wie die Hofdame aus Wien. Ludovikas Schwiegertochter Sophie konnte der Familie mit Hundeanhang viel abgewinnen. Sie berichtet fröhlich an ihren Vater nach Sachsen, dass die Tage in Possenhofen von viel Musik erfüllt seien: Ihr Mann spiele »endlos Scalen« auf dem Klavier, die Damen des Hauses schrien dazu »wie die Hühner« – bis schließlich »der berühmte Pruß (ein Hund, Gefährte des Argus)« anfange zu bellen. Das alles ergäbe eine »herrliche Katzenmusik«.
Die herzoglichen Hunde Pruß und Argus (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
Tiere in der Geschichte sichtbar zu machen ist für einen Historiker keine leichte Aufgabe, denn es liegt in der Natur der Dinge, dass sie keine eigenen Zeugnisse hinterlassen, die man auswerten könnte. Wir sind darauf angewiesen, dass ihre Besitzer über die tierischen Begleiter berichten oder sie auf Bildern und Fotografien verewigen.
Im 19. Jahrhundert war es durchaus üblich, geliebte Haustiere malen oder auch fotografieren zu lassen. So findet man in Archiven zwischen Alben mit Aufnahmen von Familienangehörigen und Mitgliedern des Haushalts auch immer wieder ganze Alben voller Tierbilder, in erster Linie von Hunden.
Im Laufe der Zeit scheint sich Herzogin Ludovika vor allem für eine Hunderasse interessiert zu haben. Sie besaß mehrere Hunde der Rasse Volpino Italiano, einer in Italien gezüchtete Spitz-Rasse. Ludovikas Enkelin Marie Louise von Wallersee erwähnt, dass ihre Großmutter stets von zwei schneeweißen Spitz-Hunden begleitet wurde, von Romulus und Roma. Während Roma in keiner weiteren Quellen auftaucht, begegnet uns Romulus an anderer Stelle, denn er begleitete seine Herrin im Frühjahr 1878 auf eine ausgedehnte Reise nach Italien, die sie zusammen mit ihrem Sohn Carl Theodor, dessen Frau und ihrer Enkelin Amelie unternahm und die die Reisegesellschaft bis nach Rom führen sollte. Amelie führte unterwegs ein Reisetagebuch, in dem sie auch ein besonderes Ereignis verzeichnete, das sich in Genua zutrug: Als man am 1. April 1878 auf dem Bahnhof von Genua ankam wurde klar, dass man zur Weiterreise den Zug wechseln musste. Beim Umsteigen wollte ein eifriger Bahnbeamter Ludovika von ihrem Hund trennen und stieß dabei auf den dezidierten Widerstand der alten Dame. Um ein Haar hätte der Zwischenfall die Weiterreise verhindert, hätte Baron Wulffen, der gute Geist des Hauses, nicht einen Ausweg gefunden. Amelie notierte folgendes in ihr Reisetagebuch:
Romulus beim Münchner Hoffotografen Joseph Albert (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
»Als Großmama durch die Thüre des Bahnhofs wollte, wollte ein Portier ihr den Romulus nehmen und in das Hundscoupe sperren (Romulus ist der Lieblingshund von Großmama, der überall auf der Reise mit war). Da Großmama ihn bei sich behalten wollte, ließ der Portier sie nicht durch. Von allen Seiten ertönte schon Partenza und es war höchste Zeit einzusteigen. Endlich kam Herr Baron und löste ein Hundebillet. Wir stiegen noch in unsern Wagons, ehe der Zug wegfuhr […]«
Im 19. Jahrhundert wurden Hunde bei Zugreisen zumeist in sogenannten Hundecoupes transportiert. Diese befanden sich in den Gepäckwagons, ähnlich wie heutzutage der Transport von größeren Hunden bei Flugreisen. Für Herzogin Ludovika hätte dies bedeutet, sich auf der Reise von Romulus zu trennen – offensichtlich keine Option für die tierliebe Dame.
Herzogin Ludovika, mit einem Volpino Italiano auf dem Schoß, und Herzogin Amelie in Bayern (Hauptstaatsarchiv Stuttgart)
In ihren letzten Lebensjahren wurde Ludovika insbesondere von einer Hündin namens Lupa begleitet, auch sie ein Volpino Italiano. Wann genau Lupa ins Leben ihrer Herrin trat wissen wir nicht. Der erste Brief, der ihre Existenz belegt, stammt aus dem Frühjahr 1885. Herzogin Ludovika war verschnupft darüber, dass man im Englischen Garten eine Leinenpflicht für Hunde erlassen hatte und schrieb ihrer Enkelin Amelie: »Der Englische Garten ist mir etwas verdorben da man die Hunde immer an der Leine führen muß und obgleich meine Lupa sehr geduldig neben mir hertrippelt, ist es doch nicht gesund weil es keine hinreichende Bewegung für junge lustige Hunde ist.«
Unzertrennlich: Herzogin Ludovika in Bayern und Lupa, im Park von Possenhofen (ÖNB/Wien Signatur: Pf 32.364:D(1)
Auch Marie von Redwitz, die im Jahre 1888 als Hofdame in den Dienst der herzoglichen Familie trat, berichtet in ihrer »Hofchronik« über Lupa. Dabei kommt zum Ausdruck, dass sie die Sonderrolle, die Lupa im Familienleben einnahm, eher kritisch sah. Die Hündin, die »recht kläffig« sei, würde viel betteln und hätte ihren festen Platz auf dem Schoß der alten Herzogin. Selbst bei festlichen Anlässen könne man Lupas Schnauze unter der Serviette hervorlugen sehen. Und auch bei den täglichen Mahlzeiten sei das selbstbewusste Auftreten der Hundedame zu beobachten: Da es im Herzog-Max-Palais, dem Wohnsitz der Familie in München, kein eigentliches Speisezimmer gäbe, würde man zu jeder Mahlzeit den Tisch und die Stühle hereintragen. Völlig selbstverständlich nehme dabei Lupa noch vor der Herzogin auf dem großem Sessel der Hausherrin Platz. Neben der Spitz-Hündin gäbe es noch eine »dicke, rasselose Dachshündin«, so Marie von Redwitz, die sich nicht so viel erlauben dürfe wie Lupa. Ihr Aufenthalt sei auf die Vorzimmer beschränkt, weshalb man ihr den Spitznamen »Lupas Hofdame« gegeben habe.
Herzogin Ludovika in Bayern erwies sich bis zum Ende als fürsorgliches »Frauchen« für ihre Hunde, indem sie die Vierbeiner über ihren Tod hinaus versorgt wissen wollte. In einen Nachtrag zu ihrem Testament nahm sie im Mai 1888 sowohl Lupa und als auch Silva (die bei Marie von Redwitz namenlose Dachshündin) mit auf; für beide hatte sie Plätze ausgesucht, wo sie nach ihrem Tod bleiben sollten. Dabei fällt auf, dass sich Ludovika nicht dazu entschieden hatte, die Hunde in die Obhut eines ihrer Kinder zu geben, sondern die Wahl auf zwei weibliche Angestellte des Hauses gefallen war: ihre Garderobiere Marie Petermann und Amalie Zeller, die »Weißzeug-Verwalterin« im herzoglichen Haushalt. Ludovikas Testament regelte folgendes im Detail:
»Schließlich bestimme ich bezüglich meiner Hunde Lupa und Silva Folgendes: Nach Uebereinkunft mit meiner Garderobiére Marie Petermann übernimmt diese meine jetzige Lupa und verbringt sie zu ihrer Mutter, die ein Haus mit Garten bei Freising bewohnt, unter den nachgenannten Geldbestimmungen so lange mein liebes Thier lebt. Meinen andern Hund Silva wünsche ich, dass Amalie Zeller übernimmt; Hundesteuer und Kostgeld hiefür soll ihr aus meinem Nachlaß bestritten werden. Für beide Hunde bestimme ich 500 Mark und soll hievon für Lupa 342 Mark 86 Pfennige, für Silva 157 Mark 14 Pfennige jährlich bezahlt werden.«